Die Leber verstoffwechselt Arzneimittel – nicht immer wie gewünscht
Autor: Alexandra Grass
Wirkung – Nichtwirkung – Nebenwirkung. Komplexe Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper sind dafür verantwortlich, wie sich ein Arzneimittel im Organismus entfaltet. Hauptakteur ist dabei die Leber. Sie verstoffwechselt den Großteil von Wirkstoffen – gar rund 85 Prozent der dem Körper zugeführten Substanzen. Nicht immer kommt es zum gewünschten Effekt. Pharmakogenetische Tests (PGx) geben Aufschluss über Erfolg oder Misserfolg von Substanzen, die den Körper durchlaufen. Die Therapie eines Patienten kann dementsprechend individuell optimiert werden.
Gelangt ein Arzneimittel in den menschlichen Organismus, eröffnet sich eine Kaskade an Stoffwechselvorgängen. Dabei nimmt die Leber als äußerst effiziente Umwandlungseinheit einen besonderen Stellwert ein. Sie ist der wichtigste Ort des Arzneimittelstoffwechsels, denn rund 85 Prozent aller Medikamente werden hier verarbeitet. Auf zellulärer Ebene sorgt das Cytochrom-P450-System für den Ab- und Umbau der zugeführten Substanzen. Cytochrome (CYPs) sind Eiweiße, die vor allem wasserunlösliche Stoffe in wasserlösliche Substanzen umwandeln, damit sie auch wieder ausgeschieden werden können. Der Prozess umfasst auch die Aktivierung oder Inaktivierung von Wirkstoffen.
Zugeführte Substanzen werden im Körper chemisch verändert. Die daraus entstehenden Zwischenprodukte, die sogenannten Metaboliten, können inaktiv sein und unterscheiden sich damit von der Ausgangssubstanz. Manche Arzneimittel wiederum, werden als inaktive Form – sogenannte Prodrugs – verabreicht und erst durch die Verstoffwechselung aktiviert, um die gewünschte therapeutische Wirkung entfalten zu können.
Ziel der Leber ist die Ausscheidung der Substanzen
Dieser Arbeitsvorgang der Leber geschieht in zwei Phasen. Das Entgiftungsorgan fügt mithilfe von Cytochrom-P450 Enzymen in die abzubauenden Moleküle funktionelle Gruppen ein (Phase-1-Reaktion) und sorgt damit für Oxidations-, Reduktions- und Hydrolysereaktionen. Darauf folgen Phase-2-Reaktionen, die konjugativ sind – in der also die abzubauenden Moleküle mit zusätzlichen Gruppen versehen werden. Auf diese Weise macht sie Stoffe besser löslich1 – und damit ihre Ausscheidung möglich. Man darf dabei nicht außer Acht lassen, dass die Leber viele Substanzen als potenzielle Giftstoffe betrachtet. Arzneimittel gehören zu jenen Dingen, die die Leber zu entfernen versucht. Die unterschiedlichen Prozesse im Körper haben ein Ziel: Die Ausscheidung dieser Stoffe zu erleichtern bzw. zu beschleunigen.

Die vier Arten der Metabolisierer
Die Verstoffwechselung der Substanzen im Körper hängt also von verschiedenen Metabolisierungswegen ab. Abhängig von der genetischen Ausstattung eines Menschen können diese individuell verlangsamt oder beschleunigt sein. Auch bestimmte Nahrungsmittel wie Grapefruitsaft2 oder Phytopharmaka wie Johanniskraut3 können den Medikamentenabbau beeinflussen. Die Verträglichkeitvon Arzneimitteln ist daher bei jedem Menschen unterschiedlich, wobei dabei das Cytochrom-System (CYP) einen besonders hohen Stellenwert einnimmt. Die Arten und Mengen von CYPs variieren je nach Spezies, Geschlecht und eben genetischer Veranlagung.4 Aufgrund der Variation nur eines einzelnen CYPs in seiner Ausprägung, den sogenannten Genpolymorphismus, der zu unterschiedlichen Niveaus der Wirksamkeit und Toxizität von Arzneimitteln führt, wird zwischen vier Arten von Metabolisierern unterschieden.
- Beim Normal Metabolizer (NM) werden Medikamente so verstoffwechselt, dass die erwünschte therapeutische Wirkungohne erhöhten Nebenwirkungen zu erwarten ist.
- Beim Intermediate Metabolizer (IM) wird die Substanz vermindert metabolisiert. Das Risiko für Nebenwirkungen steigt
- Beim Poor Metabolizer (PM) können bestimmte Arzneimittel im Körper kumulieren, wodurch diese Medikamente toxisch werden können.
- Beim Ultra Rapid Metabolizer (UM) können gewisse Substanzen schneller abgebaut und ausgeschieden werden. Das kann dazu führen, dass ein therapeutischer Bereich erst gar nicht erreicht wird und sich das Medikament als unwirksam zeigt.
Von Bedeutung ist, die vollständige Liste der verabreichten Medikamente eines Patienten zu kennen, um nicht nur auf Wirksamkeit, sondern auch auf Wechselwirkungen prüfen zu können.
PGx-Optimizer: 3.000 Mutationen, 900 Wirkstoffe und umsetzbare Handlungsempfehlungen
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Werden Medikamente an die DNA eines Menschen angepasst, treten um 30 Prozent weniger Nebenwirkungen auf, wie eine aktuelle Studie in „The Lancet“ zeigt. „Eine groß angelegte Umsetzung könnte dazu beitragen, dass die Arzneimitteltherapie immer sicherer wird“, betonen die Studienautoren um den niederländischen Pharmakologen Jesse J Swen von der Universität Leiden.5
1 https://www.anaesthesiajournal.co.uk/article/S1472-0299(20)30139-9/fulltext
2 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3589309/
3 https://medicinalgenomics.com/wp-content/uploads/2013/11/St.Johns_Wort_CYP3A4.pdf
4 https://open.lib.umn.edu/vetphysioapplied/chapter/drugs-and-the-liver/
5 https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(22)01841-4/abstract