Cannabinoide – Alleskönner mit großer Einsatzfreude, wenn die Gene mitspielen

Autor: Alexandra Grass

 

Trotz ihres geringen Bekanntheitsgrades sind sie nahezu Alleskönner. Sie verhindern etwa überschießende Nervensignale, beeinflussen den Schlaf, regulieren das Nahrungsverhalten, mindern Angst, tragen zur muskulären Entspannung bei und wirken schützend auf das Nervensystem. Die Rede ist von Endocannabinoiden – im menschlichen Körper stellen sie einen wichtigen Bestandteil des Botenstoffreigens dar. Bei vielen Erkrankungen macht sich die Medizin die Wirkung körperfremder – pflanzlicher oder synthetischer – Cannabinoide zunutze. Sofern die Gene mitspielen, wie pharmakogenetische Untersuchungen mittels PGx-Optimizer® aufzeigen können, präsentieren auch sie sich als Alleskönner mit großer Einsatzfreude und positivem Nebenwirkungsprofil.

Verschiedenste Botenstoffsysteme im menschlichen Körper sind für die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen unerlässlich. Hormone steuern wesentliche Prozesse wie den Stoffwechsel, den Kreislauf, den Salz- und Wasserhaushalt, die Fortpflanzung und vieles mehr. Sie sind Nachrichtenübermittler zwischen den Organen und einzelnen Zellen. Geraten sie aus dem Takt, kommen biologische Prozesse im Körper ins Wanken.

Auch das Endocannabinoid-System ist für viele Körperfunktionen von Bedeutung. Es besteht aus Cannabinoid-Rezeptoren – die bekanntesten Vertreter sind CB1 und CB2-Bindungsstellen – sowie den dazugehörenden Botenstoffen, den Endocannabinoiden.1 Das Endocannabinoid Anandamid etwa, unterstützt die Kommunikation von Nervenzellen und verhindert damit überschießende Nervensignale, sobald es an einen Cannabinoid-Rezeptor andockt. Dies ist vor allem dann besonders wichtig, wenn es zu potentiell übersteigerten Reaktionen im Körper kommen kann, wie es zum Beispiel bei starken und/oder chronischen Schmerzen der Fall ist. Die körpereigenen und von außen zugeführten Botenstoffe (zum Beispiel TCH, CBD) sorgen überdies für einen gesteigerten Appetit, mindern Angst und Depressionen, schützen das Nervensystem vor Stress, beeinflussen den Tag-Nacht-Rhythmus, sorgen für eine Entspannung der Muskulatur und weisen zum Teil eine antientzündliche Wirkung auf.2 Endocannabinoide wirken im gesamten Körper, sowohl im zentralen als auch im peripheren Nervensystem, im Immunsystem, in den Knochen, in der Haut und in den inneren Organen.

THC und CBD gezielt einsetzen

Die Entdeckung dieses Systems geht mit wissenschaftlichen Forschungen an der Hanfpflanze Mitte des 20. Jahrhunderts einher. Nach der Identifizierung der Inhaltsstoffe wurden die molekularen Zielstrukturen der Cannabinoide im menschlichen Körper gesucht – und gefunden. Während der Mensch die Endocannabinoide – am bekanntesten sind Anandamid, Noladinether und 2-Arachidonylglycerol – aus körpereigenen Bausteinen bildet, können ihre pflanzlichen und synthetischen Vertreter gezielt zugeführt werden.3

Phytocannabinoide wie etwa das Delta-9-Tetrahydrocannabinol – bekannt als THC – und Cannabidiol (CBD) sowie vollsynthetische Formen wie der Wirkstoff Nabilon docken, ihren Pendants gleichtuend, im menschlichen Körper auf die genannten Rezeptoren an. Deren Wirkung macht man sich bei zahlreichen Erkrankungen bereits zunutze. So kommen sie etwa bei chronischen Schmerzerkrankungen, Schlafstörungen, Spastizität, Rheumaerkrankungen, frühkindlicher Epilepsie oder Parkinson erfolgreich zum Einsatz. Ebenso steigern sie den Appetit und verhindern Übelkeit und Erbrechen im Rahmen onkologischer Therapien. Auch im Rahmen von Tumorerkrankungen, wie etwa bei Glioblastomen, werden Cannabinoide erforscht.4 Bei einem gewünschten Entzug vermeiden sie Entzugssymptome, zählt die Schmerzmedizinerin Astrid Pinsger-Plank die zahlreichen Einsatzgebiete auf. Die Verschreibung von Cannabinoiden ist in Österreich unter speziellen Voraussetzungen über die Kostenträger möglich. Dies gilt vor allem für die Arzneimittel Dronabinol (TCH), Sativex (THC und CBD 1:1) und Canemes (Nabilon). Seit Kurzem wird auch CBD in Form des Präparats Epidyolex bei kindlicher Epilepsie erstattet.

Gerade bei CBD, aber auch bei THC, kann es jedoch bei manchen Personen aufgrund ihrer individuellen Verstoffwechselung in der Leber zur Erhöhung von Leberwerten oder einer unzureichenden oder verstärkten Wirkung kommen. Hier können genetische Tests vorab helfen: Die Pharmakogenetik zeigt auf, wie Medikamente individuell verstoffwechselt werden – also wirksam und/oder adäquat ausgeschieden werden können. Auch Cannabinoide unterliegen einer Verstoffwechselung in der Leber, jedoch nicht immer über dieselben Enzyme. So kann unterschieden werden, ob THC beim Menschen eingesetzt werden kann oder ob das synthetische Pendant Nabilon vorzuziehen ist und umgekehrt.

Neue Strategie führt zum Therapieerfolg

Ein hochkomplexes Enzymsystem im menschlichen Körper ist dafür verantwortlich, dass Wirkstoffe von Medikamenten im Zuge des Stoffwechselprozesses aufgenommen, umgewandelt und wieder abgebaut werden, erklärt PharmGenetix-Geschäftsführer Wolfgang Schnitzel. Minimale, genetisch bedingte Veränderungen dieser Enzyme können die Reaktion auf ein Arzneimittel erheblich beeinflussen und spielen auch in der Bioverfügbarkeit – also wie gut ein Wirkstoff im Körper tatsächlich ankommt – eine wichtige Rolle. Das ist der Grund, warum das gleiche Medikament bei verschiedenen Personen unterschiedlich gut vertragen wird und unterschiedlich wirkt.

Nicht jeder Mensch kann Cannabinoide gleich gut verstoffwechseln. Mittels pharmakogenetischer Analyse lässt sich vorab feststellen, welche medikamentösen Therapien sinnvoll sind und ob potentielle Wechselwirkungen mit anderen Substanzen wie etwa Antidepressiva, Schmerzmedikamenten oder internistischen Therapien zu erwarten sind.  Ein gut geschulter Arzt kann basierend auf den Ergebnissen einer pharmakogenetischen Analyse und dem Medikamentencheck über den PGx-Optimizer® dem Patienten zu einer neuen Strategie in der Therapie verhelfen und auch im Rahmen des medizinischen Einsatzes von Cannabinoiden einen sehr differenzierten Zugang bieten.

 

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