Persönliche und zielgerichtete Therapie in der Krebsbehandlung mittels der PGx-Analyse

Autor: Alexandra Grass

 

Die Innovationen zur Präzisionsmedizin in der Krebsbehandlung gehen rasant weiter. Schon heute werden Tumore zielgerichtet anvisiert. Zudem ist es möglich, mittels spezieller molekularbiologischer Differenzierung bei bestimmten Krebsarten Vorhersagen über die Wirksamkeit von Therapien zu treffen. Dabei wird das genetische Profil des Tumors unter die Lupe genommen, um Erkrankungs- oder Rückfallrisiken ermitteln zu können. Ein neues Werkzeug bereichert nun die Krebsmedizin – nämlich die pharmakogenetische Analyse (PGx-Analyse). Speziell beim Mammakarzinom, das bei Frauen zu den häufigsten Krebs-Neuerkrankungen zählt, zeigen Studien die Notwendigkeit des Einsatzes einer PGx-Analyse. Denn sowohl Zytostatika als auch Aromatasehemmer können nur wirken, wenn es die individuellen Gene zulassen. Mit der PGx-Analyse kann der Trend hin zu höheren Heilungschancen verstärkt werden.

Das Gesicht des Feindes zu kennen, ist bei der Behandlung von Krebs von großer Bedeutung. Heute sind bereits viele Unterarten (Entitäten) bestimmter Krebserkrankungen bekannt. So wird auch der Terminus „Mammakarzinom“ zu ungenau. Vielmehr handelt es sich um ein ganzes Bündel an Erkrankungen mit verschiedensten Charakteristika. Die Therapiekonzepte sind auf diese molekularbiologischen Spezifikationen abgestimmt. Diese Forschungsfortschritte haben dazu geführt, dass heute rund 85 Prozent aller Patientinnen mit einem Tumor in der Brust geheilt werden können. Um individuell passende Therapiekonzepte anbieten zu können, arbeiten gynäkologische Chirurgen und Onkologen gemeinsam mit Radiologen, Pathologen, Radioonkologen, plastischen Chirurgen, Humangenetikern und Psychoonkologen in sogenannten Tumorboards eng zusammen.[1]

Derzeit erkrankt eine von acht Frauen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Dabei steigt das Risiko mit zunehmendem Alter. Jüngere Frauen sind nur selten betroffen, das Risiko steigt erst ab dem 40. und vor allem ab dem 50. Lebensjahr an, um dann ab etwa 70 Jahren wieder abzufallen.[2] Rund 85 Prozent der Frauen können heute aufgrund der exakt auf den Tumor zugeschnittenen Therapie geheilt werden. Doch das ist nur eine Seite der Medaille. Zwar indizieren bestimmte Tumorarten bestimmte Behandlungsmethoden und Wirksubstanzen, dennoch ist die Wirkung nicht bei allen Patienten so wie gewünscht beziehungsweise die Nebenwirkungsrate höher als erwartet.

 

Studienlage zu FU-haltigen Arzneimitteln und Tamoxifen

Das zeigt sich etwa bei der Anwendung von Fluorouracil (FU)-haltigen Arzneimitteln, die zu den am häufigsten eingesetzten Zytostatika bei malignen Tumoren etwa in der Brust oder im Darm zählen. Bei einem Teil der Patienten können schwere und lebensbedrohliche Nebenwirkungen auftreten. Die therapieassoziierte Letalität liegt zwischen 0,2 und 1 Prozent. Eine der Ursachen für das Auftreten schwerer Nebenwirkungen ist der genetisch bedingte Mangel an Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD), einem für den Abbau von FU verantwortlichen Enzym.[3] Die Ursache hierfür liegt in Varianten des DPD-Gens. Vor dem Hintergrund, dass bis zu 9 Prozent der Patienten europäischer Herkunft eine solche Genvariante tragen, die zu einer verminderten Aktivität führt, und etwa 0,5 Prozent der Betroffenen einen vollständigen Mangel aufweisen, hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) empfohlen, alle Patienten vor einer Therapie mit den FU-haltigen Arzneimitteln 5-Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur auf einen DPD-Mangel zu testen. Diese Empfehlung ist auch bereits Bestandteil der Fachinformationen dieser Arzneimittel.

Ein weiteres Aushängeschild in der Bedeutung der PGx-Analyse ist der Zusammenhang zwischen der CYP2D6-Genetik und dem klinischen Ergebnis von Tamoxifen. Dieser selektive Estrogenrezeptormodulator, der bei Frauen mit Brustkrebs sowohl vor als auch nach der Menopause eingesetzt wird, gilt seit mittlerweile 25 Jahren als Goldstandard in der Behandlung des Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinoms. Eine Studie zeigt, dass Patientinnen mit fehlender CYP2D6-Enzymfunktion ein fast zweifach erhöhtes Risiko auf ein Wiederauftreten von Brustkrebs im Vergleich zu Patientinnen mit funktionierender Enzymfunktion hatten.[4,5]

Ein Schritt weiter als die Gendermedizin

Unsere Gene sind für die Verschreibung von Medikamenten von großer Wichtigkeit, weil deren Produkte – Proteine oder Enzyme – für die Wirkung, Verteilung, den Abbau und die Aktivierung der in den Medikamenten enthaltenen Wirkstoffe notwendig ist. Mutationen oder genetische Strukturvarianten können dazu führen, dass die entsprechenden Proteine oder Enzyme schlechter, gar nicht oder viel zu stark funktionieren, betont der Pharmakologe und einer der Gründer von PharmGenetix, Markus Paulmichl. Sie sind dadurch für mögliche Nebenwirkungen verantwortlich, die bis hin zum Tod eines Patienten führen können.

Demnach spielt die Pharmakogenetik auch bei der erfolgreichen Behandlung von Krebspatienten eine wesentliche Rolle und ist längst von der Wissenschaft in der Praxis angekommen, erklärt Markus Paulmichl. Denn „jede einzelne Person hat unterschiedliche Voraussetzungen, die eine individuelle Anpassung der Behandlung und Medikation erfordern. Damit geht die Pharmakogenetik noch einen Schritt weiter als die Gendermedizin“. Er fordert die Implementierung der Pharmakogenetik in den täglichen Betrieb. Nur dann kann sichergestellt werden, dass jeder Patient und jede Patientin die verträglichste und wirksamste Therapie erhalten kann. Höhere Heilungschancen durch sichere, zielgerichtete und individuelle Therapie sind der Gewinn daraus.

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